Aktuelles

Studienreise nach Ruanda

DGD-International: Ein persönlicher Reisebericht aus Ruanda
„Die Europäer haben die Uhr, wir haben die Zeit!“ (aus Afrika)

(Frankfurt a.M. / Ruanda) – Am Sonntag, 1. Juli 2012, knapp noch vor 23.00 Uhr, dem nächtlichen Flugverbot, hob eine Boeing der Ethiopian Airlines vom Frankfurter Flughafen in Richtung Afrika ab.

An Bord auch eine Delegation des DGD. Ihr Ziel Ruanda. Ihre Mission die Sondierung weitere Unterstützungsmöglichkeiten für medizinische Hilfsprojekte sowie die Teilnahme an der Eröffnungsfeier der RTSS (Rubengera Technical Secondary School) in Rubengera. Zudem ging es um weitere Fragen der nachhaltigen Unterstützung der außerordentlich beeindruckenden Arbeit der Diakonissen von der Schwesternschaft Abaya ba Kristo sowie der von Tim und Katja Bluthardt. Darüber in Deutschland Prospekte zu lesen oder Berichte zu hören ist das eine. Selbst vor Ort zu sein ist dann etwas völlig anderes.

Vorher habe ich sehr oft gehört, dass mich das Land faszinieren wird und die Menschen Ruandas nicht loslassen werden. Aber, so habe ich mir gedacht, wenn das ein Automatismus zur Identifikation mit Hilfsprojekten sein soll, wäre mir das suspekt. Europäische Touristen, Abenteurer und Weltverbesserer hat der Kontinent genug, aber welche Menschen braucht Afrika wirklich?

In diesem inneren Zwiespalt war ich also unterwegs nach Afrika. Ich nahm mir vor Land und Menschen auf mich wirken zu lassen. Ich wollte spüren, welche Tiefe und Dimensionen die Faszination Afrika wirklich hat, und wie Hilfe gut gestaltet sein kann. Ich erzähle jetzt von Beobachtungen, die mich am meistens bewegt haben.

Das waren zu aller erst die Kinder. Überall ist man ihnen begegnet. Fast keine Straße, an welcher sie nicht standen oder gingen. Meist bepackt mit Wasserkanistern, Holz oder Bananenstauden. Kleinere Kinder saßen und spielten oft vor den Lehmhütten am Straßenrand, umgeben von Bananenhainen, welche die hügelige Landschaft landwirtschaftlich prägen. Viele dieser Kinder sprangen auf, wenn sie uns in den großen Geländewagen entdeckten, winkten uns freudestrahlend zu und riefen „Mzungu, Mzungu“ übersetzt: „Weiße, Weiße“. Einmal machte sich eine Gruppe von Schulkindern auf dem Weg nach Hause den Spaß, mit uns um die Wette zu rennen. Der holprige Fahrweg auf kurviger Strecke bergab gab den Kindern tatsächlich die Chance, lange auf gleicher Höhe zu bleiben. Und immer wieder gab es Kinder, die uns stolz in Englisch grüßten. Schule wird ernst genommen in Ruanda, das haben wir gesehen.

Aber es gab auch andere Begegnungen mit Kindern. Nicht jedes Auge strahlte. Manche Augen waren berechnend. Blitzschnell gingen kleine Hände nach vorne und bettelten um Geld. In diesen Momenten ahnte man schon, dass in Afrika der Grad von idyllischem Kinderleben und hartem Überlebenskampf nicht weit ist. So haben wir auch Kinder gesehen, die fliehen mussten, weil im Kongo Bürgerkrieg ist. Das Schicksal eines dreijährigen Mädchens hat uns alle berührt. Mithilfe ihrer Mutter schleppte sie sich verletzt über die Grenze nach Ruanda. Eine angemessene medizinische Hilfe war nur - wenn überhaupt - in der Hauptstadt Kigali möglich. Dazu brauchte man Geld und Kontakte. Hier konnten wir spontan helfen, aber es war ein Einzelfall.

Und trotzdem ist das ein starke Botschaft: Denn genau in diesen Tagen waren wir alle noch bewegt von der gemeinsamen Morgenandacht im Kibogora Hospital. Der afrikanische Prediger sprühte vor Freude. Gesang und Tanz waren so ansteckend fröhlich, dass die Fremdheit zwischen uns verschwand. Ich konnte mir gut vorstellen die Zeit anzuhalten, irgendwie war dies für mich ein Augenblick der Ewigkeit. Die Andacht endete mit der Ermutigung an Ärzte, Schwestern und das ganze Personal, die Patienten zu segnen. „Wenn Ihr sie berührt, wenn Ihr ihnen begegnet dann segnet sie! Tut das still und voller Glauben! Denn genau der Mensch der vor Euch steht ist der, den Gott zu euch schickt. Es sind nicht die Vielen, sondern es ist der Eine, dem Ihr Gutes tut!“

Ruanda ist ein kleines Land, die Besiedlung ist sehr dicht und erobert Hügel um Hügel. Ruanda ist ein „junges“ Land, fast die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahren. Diese Kinder und Jugendlichen brauchen eine Zukunft. Die Landwirtschaft kann das nicht allen bieten. Für eine friedliche Weiterentwicklung des Landes sind neue Perspektiven gefragt. Die Rubengera Technical Secondary School ist solch ein innovatives Projekt. Nicht von ungefähr wurde die Einweihung der Schule im Beisein von einem Regierungsvertreter aus Kigali und dem Gouverneur des Distriktes gefeiert.

Im Laufe des Montags eine Woche später. Landung, zurück in Frankfurt. Welche Menschen braucht Afrika? Afrika braucht Menschen mit Zeit. Dann kann auch der Augenblick zum Segen werden und die Liebe des Herzens verwandelt unser Tun für die Ewigkeit.

Gottfried Cramer
Referent für Öffentlichkeitsarbeit
Leiter Kommunikation und Marketing
Klinik Hohe Mark


» zurück